Bücherliste 2018

Da fehlt doch noch was?

Habt ihr sie schon vermisst?

Ja, genau!

Meine Bücherliste 2018!

Lesen war schön im letzten Jahr.

Ich erinnere mich gerne an die Orte, an denen ich gelesen habe.

Am Meer mit einer kleinen Ostseebrise um die Nase,

in den Bergen,

in der tiefen Eifel,

im Bett, im Liegestuhl, im Ohrensessel, vergnügt, gespannt, entspannt, erschreckt, verstört, versponnen, versonnen, vergnügt, verliebt, bedacht, verlacht … und welche Gefühle Bücher sonst noch so auslösen können.

Bücher sind etwas Feines!

Allein der Einband, der Geruch, das kleine Bändchen, das über die Seite fällt, die ersten Seiten, die letzten Seiten und überhaupt!

Aber nun genug der Schwärmerei!

Hier ist meine Bücherliste 2018.

Transit (Anna Seghers, 1944)

Erst ist es das gestrandete Boot,

das mit dem Buch gepostet wird,

das mich anspricht.

Urlaub.

Transit.

Verreisen.

Dann der Perspektivwechsel.

Die Erschütterung.

Die Not, die ein leeres Boot am Ufer des Mittelmeers bedeuten kann.

Der zeitaktuelle Roman „Transit“ handelt von Menschen auf der Flucht. In Marseille versammeln sich 1940 die von den Nazis Verfolgten. Sie hetzen nach Visa, Bescheinigungen und Stempeln, um nach Übersee ins rettende Exil zu entkommen. Im Roman kreuzen sich die Wege von Menschen, die ähnliche Schicksale teilen.

All diese alten, schönen Städte wimmelten von verwilderten Menschen. Doch es war eine andere von Verwilderung als ich geträumt hatte. Eine Art Stadtbann beherrschte diese Städte, eine Art mittelalterliches Stadtrecht, jede ein anderes. Eine unermüdliche Schar von Beamten war Tag und Nacht unterwegs wie Hundefänger, um verdächtige Menschen aus den durchziehenden Haufen herauszulangen, sie in Stadtgefängnisse einzusperren, woraus sie dann in Lager verschleppt wurden, sofern das Lösegeld nicht zur Stelle war oder ein fuchsschlauer Rechtsgelehrter, der bisweilen seinen unmäßigen Lohn für die Befreiung mit dem Hundefänger selbst teilte. Daher gebärdeten sich die Menschen, zumal die ausländischen, um ihre Pässe und ihre Papiere wie Seelenheil.

 

Die Freiheit, frei zu sein (Hannah Arendt, 1967)

Die Tatsache, dass das Wort Revolution ursprünglich Restauration bedeutete, ist mehr als nur eine semantische Kuriosität. (Hannah Arendt)

In dem Essay philosophiert Hannah Arendt über den Begriff Freiheit und was sie für den Einzelnen bedeutet. Sie fragt danach, ob es es um die Abwesenheit von Angst und Zwängen geht oder darum, sich an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen, die eigene Stimme zu erheben? Und sie fragt: Haben wir diese Freiheit einfach oder wer gibt sie uns? Und kann man sie uns auch wieder weg nehmen?

Kein Vorhaben ist schwieriger in der Ausführung, unsicherer hinsichtlich seines Erfolges und gefährlicher bei seiner Verwirklichung, als eine neue Ordnung einzuführen.

Heisser Sommer (Uwe Timm, 1974)

„In Heisser Sommer geht es um die Unruhen der 68er Jahre, die Tendenzen zur Radikalisierung, die Notwendigkeit zum Aufbrechen der alten autoritären (Universitäts-) Strukturen und dem kleinbürgerlichen Mief.“, schreibe ich am 13. August in mein Tagebuch, während ich aus dem Strandkorb heraus dem Kreischen der Möwe lausche und die kühle Ostseebrise genieße.

Auch dieser Sommer 2018 war geprägt von einer wochen-, ja monatelangen trockenen Dürre- und Hitzewelle. Das Laub an den Bäumen verdörrt sehenden Auges. Große Stücke von Baumrinde brechen von den Stämmen. Und was die politischen Verwirrungen und Verdörrungen betrifft erst recht.

Ediths Tagebuch  (Patricia Highsmith, 1977) 

Edith notiert in ihrem Tagebuch Tagträume, eine Wunschwelt. Die im Tagebuch notierten Erlebnisse haben mit der Realität immer weniger zu tun. Je unerträglicher ihre reale Welt wird, umso phantasiereicher wird die Erlebniswelt in ihrem Tagebuch. Sie kompensiert damit ein Leben, dessen Schicksalsschlägen sie mit Gleichmut und freundlichem Lächeln zusieht.

Erst am Ende spricht sie ihre Meinung aus, was dann als Krankheitswahn bezeichnet wird:

Alle macht ihr schlechte Politik – Ausflüchte, Lügenmärchen, bloß nicht die einfache, nackte Wahrheit.

 

Seid laut! (Burkhard Hose, 2018)

„Für ein politisch engagiertes Christentum“ lautet der Untertitel.

Der Blick die Geschichte lehrt, dass Schweigen und sich Heraus-Halten mindestens genauso verheerende politische Folgen haben können wie ein Sich-Einmischen.

Wenn ich auf das Jahr 2018 zurück schaue, dann zähle ich den Abend als wir in Essen als Kirchen und Sozialverbände auf die Straße gegangen sind, unsere „Sach wat“ Fahne hoch gehalten haben zu eines der Highlights 2018. Es ist immer schwierig, etwas Besonderes heraus zu greifen, weil es so viele wichtige und gute Ereignisse in einem Jahr gibt und gerade die Scheinwerfer oft auch verblenden können vor dem, was an alltäglicher Kleinarbeit viel wichtiger ist. Mehr dazu findet ihr auch hier im Blog in Kinder, Küche, Kirche.

Man kann nicht Suppe an Arme ausschenken, ohne irgendwann die Frage zu stellen, warum die Armen eigentlich arm sind. (Burkhard Hose)

Wir Kirchen müssen politisch sein, das macht er in seinem Buch mehr als klar. Es gibt dafür tausend Gründe und viele gute Beispiele wie etwa die friedliche Revolution zum Ende des DDR-Regimes.

Ob wir wirklich ein christlich geprägtes Land sind, würde sich daran zeigen, dass die Solidarität mit den Schwachen als leitendes Prinzip im gesellschaftlichen Zusammenleben erkennbar ist und nicht an den Grenzen eines Nationalstaates aufhört.  (Burkhard Hose)

„Es ist Zeit, das Christentum nicht länger mit Konservativsein oder Bravsein zu übersetzen, sondern mit Erneuerung und Umdenken. Es ist Zeit, den prophetischen Auftrag Jesu ernst zu nehmen, Partei zu ergreifen und lauf zu werden, wo Menschen in ihrer Würde verletzt werden.“

Die beiden Bücher mit den Ausrufungszeichen (Seid laut! und Steht auf!) sind in Zeiten, in denen in Kirche (hoffentlich!) so viel im Umbruch ist, wohltuende Bücher für die Seele, weil sie sich auf das Evangelium berufen.

Ist Jesus ein Linker? lautet die Überschrift eines seiner Kapitel. Ist jemand, der das Evangelium ernst nimmt und sich als Anwalt der Schwachen versteht ein Linker? Sind Menschen, gerade die junge Generation, die sich für die Aufnahme Geflüchteter einsetzt Linksextreme? Oder geht es um eine Generation, die für sich erkannt hat, dass die Aufnahme Geflüchteter nicht Wohltätigkeit, sondern Solidarität verlangt. Ist Menschlichkeit und Empathie nicht einfach eine Aufgabe der Nächstenliebe?

Die Überschrift über Kapitel 5 lautet gar „Welcome to the revolution“.

Ich wünsche mir so sehr, dass sich diese neue Generation ihre „revolutionäre“ Haltung bewahrt, … , aus der tatsächlich ein neuer Politikstil entstehen kann. Aber woher wird diese Revolution ihre positive Kraft beziehen? Es braucht Menschen und Orte, es braucht Quellen, aus denen sich die Energie gewinnen lässt, die nötig sind, um nicht bei sich selbst stehen zu bleiben.

schreibt Burkhard Hose in diesem Kapitel. Es wird unsere Aufgabe sein, den Rahmen zu schaffen, um das Neue werden zu lassen. Neue Orte zu gestalten, Freiheit zu gewähren, Quellen zur Verfügung zu stellen oder selbst zu sein.

Jenny Marx (Angelika Limmroth, 2018)

Linke, Revolutionäre – diese Zuschreibungen gelten für Karl Marx, Friedrich Engels und seine Frau mehr als für viele andere. Der rote Kopf im Garten des Karl Marx Hauses in Trier ist dafür leuchtendes Beispiel. Und dabei geht es nach Hannah Arendt bei Revolution doch „nur“ um Restauration.

Die Lektüre des Lebens der Familie Marx fand ich mehr als faszinierend. Unfassbar wieviel Kraft, Engagement, Leidenschaft es bedeutet haben muss, die großen Ideen zu fördern und voran zu treiben.

Im Leben der Jenny Marx, Ehefrau von Karl Marx, sind Sprache und Schreiben der Schlüssel der Reform und Revolution. Der Aufstand auf der Straße gelingt nicht, da die Deutschen „Kulturpatrioten“ sind. Die Revolution von 1848 hat nicht die gewünschten politischen Verhältnisse gebracht also wurde geschrieben (!).

Jenny und Karl griffen beim Schreiben auf ein globales Netzwerk zurück. Sie schrieben regelmässig zahlreiche Briefe an zig Verbündete und schufen somit einen weitreichenden Verbund zur Förderung ihrer Ideen.

Wer wir sein könnten (Robert Habeck, 2018)

Im Oktober habe ich während der LitRuhr einer Diskussion zwischen Thea Dorn und Robert Habeck beigewohnt.

Was mich beeindruckt hat, war die Nachdenklichkeit mit der diskutiert wurde. Es gab nicht vorgefertigte Politikersprüche, sondern überlegte und während der Diskussion entwickelte Gedanken. Zuhören, mit einander reden, beteiligen könnte ein neuer Politikstil werden, den unsere Gesellschaft angesichts der rasanten und radikalen Veränderungen dringend brauchen wird. Es braucht eine gedankliche Verlangsamung. Wir müssen uns Zeit zum Nachdenken nehmen.

Zu dieser Nachdenklichkeit lädt auch das Buch ein.

Sprache schafft die Welt.

In diesem ersten Satz steckt die ganze Philosophie der Gedanken, die Habeck in der Folge entwickelt. Und lädt dazu ein, über die eigene Verwendung von Sprache nachzudenken und der Verrohung entgegen zu wirken.

Steht auf! (Johannes Eckert, 2018)

„Die Frauen im Markusevangelium waren für ihre Mitmenschen eine echte Provokation: Sie ergriffen selbstbewusst das Wort, korrigierten ihren Meister und vertrauten und glaubten bedingungslos. Und dennoch: Ihre Namen sind nicht überliefert. Das bewegt Abt Johannes Eckert zu einer biblische Spurensuche. Das Evangelium liest er als Ouvertüre zu unserem Leben, dem eigentlichen Ort der Frohen Botschaft. So entdeckt er provozierende Botschaften für uns als Gläubige und für die katholische Kirche. Abt Johannes Eckert schreckt dabei auch nicht vor den heißen Eisen Kirchensteuer, Zölibat und Kardinalat der Frauen zurück.“ (Herder)

Fazit

Bücher, die in mein Leben eingreifen, an denen mein Leben weiterschiebt, so dass ich sie alle paar Jahre zur Hand nehmen muss, um zu sehen, was inzwischen mit mir und mit ihnen passiert. (Christa Wolf über das Buch „Transit“)

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Sätze & Schätze, die mir im letzten Jahr auch wieder Anregungen und Lektüretipps gegeben haben.

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